Orientalischer Socialismus –Theodor Nöldeke
Orientalischer Socialismus –Theodor Nöldeke
Deutsche Rundschau-Julius Rodenberg, Band 18, S.284-291 Januar-März 1879 Berlin
Schon das classische Alterthum zeigt uns bekanntlich socialistische Bestrebungen und Kämpfe : Drängen auf Schuldentilgung und Ackervertheilung, Sklaven- und Bauernkriege ; freilich tragen selbst die wildesten Erscheinungen dieser Art nie einen principiell radicalen Charakter, man strebt nicht danach, auf die Dauer die allgemeine Gleichheit zu bewirken . Weniger bekannt ist es, daß auch die Völker Westasiens große Bewegungen hervorgebracht haben , welche das Erbübel der Menschheit , die ungleiche Vertheilung der Güter , durch Gewalt oder durch Belehrung rasch zu heilen suchten. Der orientalische Socialismus ist , im entschiedensten Gegensatz zu dem neueren französischen und deutschen , durchaus religiös : im Morgenlande erlangt nur die rohe Gewalt oder die Religion große Erfolge.
Stark religiös gefärbt ist schon der von einem Orientalen angeregte furchtbare Sklavenaufstand auf Sicilien in den Jahren 134 bis 132 v . Chr. , der freilich auf der anderen Seite wieder viel Aehnlichkeit mit anderen socialen Kämpfen des Westens trägt. Wir besigen über diese ficilischen Ereigniſſe nur einen etwas ausführlicheren Bericht von einem sehr humanen Griechen , der mit einer Unparteilichkeit erzählt , zu welcher ein Römer in seinem harten Nationalund Standesbewußtsein ganz unfähig gewesen wäre ¹ ) . In Sicilien hatte sich unter römischer Herrschaft die Latifundienwirthschaft entseßlich ausgebreitet . Die Besitzer, zum großen Theil römische Ritter, bekümmerten sich wenig darum, wie sich ihre Sklavenheerden ernährten ; diese sahen sich auf Räuberei angewiesen und lernten dabei ihre Kraft kennen. Eines Tages erhoben sich die verachteten Menschen mit Wuth gegen ihre Herren. An ihrer Spike stand Eunūs aus Apamea in Syrien , ein Prophet der großen syrischen Göttin Atar – athê (Atargatis) , welche in Hierapolis , nicht fern vom Euphrat , ihr weitberühmtes Heiligthum hatte. Griechen und Römer hatten in ihrer klaren Verständigkeit für die Auffaffung solcher religiöser Erscheinungen, wie das semitische Propheten kein Organ ; dieses ist ja auch für uns etwas äußerst Fremdartiges .
1) Dieser Bericht ist leidlich vollständig erhalten in den Fragmenten des Diodor. Außerdem haben wir einige Angaben über den Sklavenkrieg bei den Epitomatoren des Livius und ganz vereinzelte sonstige Notizen.
Sie fertigten solche Leute einfach mit der Bezeichnung „ Betrüger “ ab . Wer sich mit dem Wesen der semitischen Völker näher vertraut gemacht hat , wird eine andere Auffassung gewinnen. Bei den Semiten erstehen von Zeit zu Zeit immer wieder bedeutende Männer gewaltsamen Wesens, unklaren Sinnes , welche sich in ihrem Enthusiasmus für die Organe der Gottheit halten , die Menge fortreißen und regieren , für Wunderthäter gelten und sich diesen Glauben gefallen lassen , ja ihn wol gar durch Täuschungen absichtlich nähren , ohne dabei an sich selbst und ihrer Sendung irre zu werden . Wir haben allen Grund , auch den Eunus zu dieser Classe zu rechnen und ihn als einen Geistesverwandten des Barkochba und des Muhammed anzusehen. Eunus hatte schon als Sklave geweissagt , er werde noch König werden, und der Hohn, den ihm das eintrug, war ein weiterer Sporn für ihn geworden. Die Sklaven, welche auf Sicilien die Heerden hüteten und das Land bauten , waren sicher zum großen Theil Orientalen oder in orientalischen Anschauungen aufgewachsen : Syrer , Punier und andere Nordafrikaner mit punischer Religion ; ferner Halbgriechen aus Kleinasien. Und die Sklaven, welche von ganz rohen Völkern herkamen , Thracier , Juhrier , Iberer u . s . w. , waren gewiß der überlegenen Einwirkung semitischen Aberglaubens nicht unzugänglich. So hartes Leben macht ja den Menschen nur zu geneigt, Wunder zu seiner Erlösung zu erwarten. Es ist daher gleichgültig, ob Eunus den Leuten wirklich vorgegaukelt hat, daß er Feuer speien könne, oder ob das nur eine Fabel ist : dadurch allein hätte er sie keinesfalls zur Erhebung gebracht. Der Aufstand brach erst aus , nachdem Eunus als Prophet erklärt hatte , die Stunde sei gekommen. Die Sklaven nahmen die Stadt Enna ( Castro Giovanni) im Mittelpunkt der Insel ein und kühlten ihre Rache durch die entsehlichsten Greuel. Zum König erwählten sie den Eunus , obwohl derselbe ganz wie Muhammed weder ein Held , noch ein Feldherr war : er muß ihnen eben als Prophet imponirt haben. Eunus nahm den königlichen Namen Antiochus an , machte seine Frau , auch eine Shrerin , zur Königin und umgab sich mit einem hohen Rath , in welchem sich ein Grieche Achäus durch organisatorisches Talent und gemäßigten Sinn auszeichnete. Seine Unterthanen nannte er die Shrer ” ; der zu besonders verächtlicher Bezeichnung von Sklaven dienende Name seiner
Nation sollte ein Ehrenname werden. Die gefangenen Herren ließ Eunus bis auf die , welche zur Waffenanfertigung tauglich erschienen und als öffentliche Sklaven arbeiten mußten , umbringen : die syrische Göttin kannte gegen ihre Feinde so wenig Erbarmen, wie der Gott des Alten Testaments und der Gott Muhammed’s . Daß er persönlich so wenig hart war, wie der arabische Prophet, zeigte er durch die Verschonung einiger Leute , die sich ihm früher wohlwollend erwiesen hatten. Die Scharen des Eunus wuchsen. Das Beispiel fand Anklang. Bei Agrigent erhoben sich die Sklaven unter einem anderen Orientalen , Kleon aus Cilicien, dem Vaterland wilder Seeräuber. Schon hofften die geängstigten Besitzer , die beiden Anführer würden die Waffen gegen einander kehren : aber ohne Bedenken unterwarf sich der tapfere und energische Kleon dem Prophetenkönig und wurde seine rechte Hand. Die Sklaven besiegten ein römisches Heer nach dem anderen, nicht Prätor, noch Consul konnte ihnen widerstehen. Die ganze Insel tam unter furchtbarem Blutvergießen in ihre Gewalt ; die Proletarier der Städte sympathisirten mit ihnen. Schon zeigten sich in den verschiedensten Theilen des Reiches ähnliche Regungen , welche nur mit rücksichtslosester Strenge unterdrückt werden konnten. Endlich gelang es dem Consul P. Rupilius durch Verrath eines Shrers Serapion das feste Tauromenium (Taormina an der Ostküste) zu nehmen. Dann ging es auf Enna los . Kleon fiel als Held. Die Stadt kam nach langer Belagerung in die Hände der Römer, und zwar auch durch Verrath. Eunus flüchtete, ward ergriffen und kam im Gefängniß um. Man erzählt , er sei an der Läusekrankheit gestorben. Wir dürfen hierin vielleicht die Auffassung der enttäuschten Menge sehen, welche jetzt den Propheten als ruchlosen Frevler ansah, der den Namen der Göttin entweiht habe , denn diese fabelhafte Krankheit galt als Strafe der ärgsten Gottesverächter. Wie die Römer mit den Besiegten verfuhren, kann man sich leicht ausmalen : freilich half das wenig, denn schon 30 Jahre später erlebte Sicilien eine eben so furchtbare Sklavenerhebung.
Ein ganz anderes, rein idealistisches und friedliches Wesen zeigt ein socialistischer Versuch im Orient selbst, nämlich bei den ältesten Christen. Zu großer Ungleichheit im Besitz hatten bei den Israeliten schon ältere Religionsgefeße entgegenzuwirken gesucht, wenn auch schwerlich mit bedeutendem Erfolg. Ja auch völlige Gütergemeinschaft innerhalb einer stillen religiösen Vereinigung war in Israel nichts ganz Neues : sie galt bei den Effäern, einer Art Mönchsorden. Das Christenthum suchte nun aber einen solchen Zustand in größerem Stile zu verwirklichen. Seiner Weltverachtung mußte jedes Streben nach eigener Habe sündhaft und thöricht erscheinen, zumal man ja täglich die Wiederkunft Christi erwartete. Ganz durchgeführt ist freilich die Gemeinschaft der Güter auch wol nicht einmal in der Urgemeinde in Jerusalem ; schon der Umstand , daß das Christenthum nie daran gedacht hat , die Familie aufzuheben , mit welcher der Privatbesitz nothwendig verknüpft ist , mußte dem entgegenstehen. Auf alle Fälle hatte aber die noch durchaus milde und harmlose Religion, wenn dieser Zug für sie wesentlich blieb, nicht die geringste Aussicht auf Ausbreitung und Weltherrschaft. Der wunderbare Mann, welcher mit glühender Schwärmerei scharfe rabbinische Dialektik, große Energie und einen sehr praktischen Blick verband und durch diese Eigenschaften mehr für die Verbreitung des Christenthums gethan hat, als irgend ein Anderer, stellte daher an die von ihm und seinen Genossen gegründeten Gemeinden wol die Forderung der Bruderliebe , der gegenseitigen Unterstüßung , aber nicht die des gemeinschaftlichen Besitzes . Während nun Paulus , zum nicht geringen Mißvergnügen der Urapostel, Gemeinde auf Gemeinde in’s Leben rief und ihnen seinen Stempel aufdrückte, lebte die Urgemeinde in Jerusalem in ziemlich trübseligen Verhältnissen und mußte die Beifteuern der auswärtigen Glaubensbrüder, zu denen ihr der Heidenapostel verhalf , wohl oder übel annehmen : ein Beweis dafür , daß selbst in den einfachsten Verhältnissen , bei der größten Bedürfnißlosigkeit die reine Verachtung der irdischen Habe unfruchtbar bleibt . Mit dem Untergang der Urgemeinde im großen jüdischen Aufstand erloschen naturgemäß diese Bestrebungen, um gelegentlich im Christenthum, bald hier, bald da, in bescheidenen Gemeinschaften wieder zu erscheinen. Der moderne Socialismus , der sich bisweilen auf das Urchristenthum beruft , möge sich aber gesagt sein Lassen, daß dessen idealistische Tendenzen mit seiner rohen Begehrlichkeit Nichts gemein haben, als die Unmöglichkeit einer Durchführung.
Weit mehr erinnert an neuere socialistische Erscheinungen eine religiöspolitische Secte , welche am Ende des 5. und am Anfang des 6. Jahrhunderts n. Chr. Persien gewaltig erregte ¹) . Um’s Jahr 490 sah es im Reich der Sâſâniden böse aus . König Pêrôz war im Jahre 484 im Kampfe mit den sog. weißen Hunnen im Orusgebiet gefallen ; dies Volk hatte das Reich überschwemmt und zu einem, jedenfalls sehr unvortheilhaften, Frieden gezwungen. Balâsch, der nach kurzem Interregnum seines gefallenen Bruders Thron bestieg , konnte sich mit den Priestern nicht vertragen , die mit dem hohen Adel im Bunde waren, und da er kein Geld hatte, um die Truppen durch reichliche Zahlungen günstig zu stimmen , gelang es jenen , ihn abzusehen und zu blenden. Sein Nachfolger ward Kawâd , Sohn des Pêrôz (488 oder 489) . Die wirkliche Macht scheint damals hauptsächlich Zarmihr , das Haupt eines der mächtigſten uralten Geschlechter, der Kâren , in Händen gehabt zu haben. Mancherlei Streitigkeiten mochten das Land bewegen, als sich ein neues Element der Unruhe zeigte . Ein Mann , Namens Mazdak , Sohn des Bâmdâd , trat als eifriger Apostel einer Lehre auf, welche ein gewisser Zarâduscht , Sohn des Chorregân ( aus dem noch bestehenden Orte Pasâ oder Fasâ in der eigentlichen Persis ) gestiftet hatte. Er lehrte, alle Menschen seien gleich ; darum dürfe auch kein Unterschied von Reich und Arm bestehen ; Gott habe den Menschen die Habe zu gleicher Vertheilung gegeben, die Ungleichheit des Besitzes beruhe auf schnöder Uebervortheilung , der actuelle Besitz gebe also noch kein wahres Eigenthumsrecht . Man solle daher, verlangte er, dem Reichen Das nehmen, was er zu viel habe, um es dem Armen zu geben. Nicht blos auf das eigentliche Vermögen bezog sich diese Forderung , sondern ausdrücklich auch auf die Frauen. Die Weibergemeinschaft würde, wie wir oben schon andeuteten, allein die Vernichtung des Privatvermögens garantiren , denn nur sie würde die Familie, das Erbrecht und somit den mächtigsten Sporn zum persönlichen Erwerb aufheben. Diese Consequenz scheint Mazdak mehr oder weniger klar gezogen zu haben ; wenigstens verlangte er, daß auch die reich ausgestatteten Harems der Großen wie ihre Schäße unter die Bedürftigen vertheilt würden. Er erklärte , in dieser gleichen Vertheilung alles Besitzes zeige sich die wahre Bruderliebe , welche selbst dann Gottes Wohlgefallen bewirken würde, wenn es gar keine positive Religion gäbe. Im Allgemeinen scheint Mazdak die herrschende Religion an sich nicht bekämpft zu haben . Auch sein Verbot des Fleischgenusses ließ sich wol mit den heiligen Schriften Zoroaster’s in Einklang bringen ; an Auslegekünften hat es solchen Neuerern ja nie gefehlt. Dies Verbot war gewiß aus religiöser Aengstlichkeit hervorgegangen, aber es traf wieder fast nur die Vermögenden, denn der gemeine Mann bekommt in jenen Ländern ja doch nur selten Fleisch zu essen . Die wenigen etwas genaueren Nachrichten über
1) Die folgende Darstellung beruht auf speciellen Studien unter Heranziehung noch unbenutter orientalischer Quellen . Die Rechtfertigung meiner von den bisherigen Annahmen mehrfach abweichenden Ergebnisse denke ich an einem anderen Orte zu geben . Mit s bezeichne ich in orientalischen Namen den harten, mit z den weichen Zischlaut .
Mazdak stammen alle aus den Kreisen der erbittertsten Gegner , der eifrigsten Anhänger der Reichsreligion ; aber sie lassen doch dem religiösen Charakter seiner Lehre Gerechtigkeit widerfahren. Ohne diesen hätte er im Orient auch nie großen Einfluß gewinnen können. Wenn nun aber das blutarme Volk hörte, daß Gott nicht auf Seiten der wohlversorgten Priester und des reichen Adels stehe, sondern wolle, daß fie Alle diesen gleich gestellt würden, da war es nicht zu verwundern, daß er großen Zulauf bekam. Und wunderlich genug : der neue König begünstigte das Treiben. Er scheint sich mit Mazdak persönlich in Verbindung gesezt und diesem große Vollmacht verliehen zu haben. Nun war Kawâd , wie wir aus seinen sonstigen Thaten wissen , Nichts weniger als ein Phantast ; Humanität war nicht seine Schwäche ; er war ein kriegstüchtiger Fürst und sehr gewandter Politiker ; auch hat er nie daran gedacht, persönlich auf seinen königlichen Luxus und sein Harem zu verzichten -Anekdoten, die darauf hinweisen , kennzeichnen sich als Erfindungen ; wir müssen also schließen , daß er bei dem seltsamen Bündniß eine ganz besondere Absicht hatte. Wahrscheinlich war es ihm darum zu thun , die zum Nachtheil des Königthums herrschenden Stände , Adel und Geistlichkeit , auf’s empfindlichste zu treffen. Der damalige politische Zustand des Landes unterschied sich nämlich dadurch wesentlich von dem heutigen , daß der König durch einen unbotmäßigen, reich begüterten Behensadel beschränkt war, der sich auch im erblichen Besitz der meisten hohen Staatsämter befand und mit dem höchst einflußreichen , herrschsüchtigen und intoleranten Priesterstande eng verbündet war. Den Adel nun an seiner Familienehre und seinem Besiz zu treffen , das Volk dem Einfluß der Geistlichkeit zu entziehen , das scheint der Zweck des Königs gewesen zu sein ; allerdings ein verwegenes Spiel, das aber doch auch in neuester Zeit Analogien gehabt hat.
Sehr weit konnten es nun zunächst die Mazdakiten noch nicht bringen, denn die herrschenden Stände antworteten dem König durch offene Empörung, der Oberpriester erklärte ihn für abgesett , man sperrte ihn in’s Gefängniß der Vergessenheit ” (Gilgird in Susiana) und hob seinen Bruder Dschâmâsp auf den Thron. Allein Kawad wußte zu entkommen und floh zu den weißen Hunnen, deren Fürst ihm nach langem vergeblichem Bemühen ein Heer mitgab , um ihn wieder einzusehen . Nach einer Unterbrechung von wenigen Jahren bestieg er (500 oder 501 ) wieder den Thron. Kaum war dies geschehen , so begann er einen großen Krieg gegen die Oströmer (502–506) , der, wenn er auch im Ganzen für das Reich keine bleibenden Erfolge mit sich brachte, doch den persischen Waffen Ruhm verschaffte und das persönliche Ansehen des Königs sehr heben mußte. Mancher unruhige Kopf mag im Kriege gefallen sein, gewiß nicht zum Kummer des Herrschers. Nach dem Friedensschluß scheint sich der König den Mazdakiten erst recht zugeneigt zu haben. Daß es ihnen gelang, den Zusammenhang vieler Geschlechter zu zerstören , zeigen die positiven Nachrichten über die Maßregeln, welche der folgende König beim Regierungsantritt hinsichtlich der Kinder ohne bekannten Vater und hinsichtlich der ihren Männern entrissenen Frauen zu treffen hatte. Leider sind unsere Nachrichten nicht eingehend genug , um uns über den Gang der Dinge im Einzelnen Klarheit zu verschaffen ; dagegen find wir über die Katastrophe leidlich gut unterrichtet, und zwar besonders durch den Bericht eines zum Christenthum übergegangenen vornehmen Persers , der sich bei einigen Byzantinern findet.
Auf die Dauer konnte natürlich kein Staat eine solche Lehre dulden. Auch der bejahrte Kawâd mußte das einsehen , und dazu drängte sein LieblingssohnChosrau (Chosroës), dem er die Nachfolge zudachte, zur Unterdrückung der Secte. Zu den allgemeinen politischen Gründen kamen für den Prinzen noch persönliche : die Mazdakiten bestrebten sich , einem seiner Brüder den Thron zu verschaffen, wenn Kawâd stürbe. Nach der Ueberlieferung der persischen Priester ward Mazdak in einer feierlichen Disputation von einem der Ihrigen glänzend überwunden ; derartige Redekämpfe mögen damals mehrfach stattgefunden haben, find aber für die wirkliche Entscheidung natürlich gleichgültig geblieben . Kawâd scheint die ganze Sache seinem Sohne Chosrau überlassen zu haben. Man handelte rasch , energisch und mit echt orientalischer Barbarei . Ende 528 oder Anfang 529 wurde plöglich in der Nähe der Reichshauptstadt Ktesiphon (am Tigris ) unter den Mazdakiten ein fürchterliches Blutbad angerichtet, bei welchem auch Mazdak selbst umgekommen zu sein scheint. Der Umstand , daß man sofort an einer Stelle Taufende umbringen konnte, deutet darauf, daß man die Leute vorher unter irgend einem falschen Vorwande zusammengerufen hatte. Die Habe der Mazdakiten ward eingezogen . Die gewöhnliche orientalische Tradition seht dies Ereigniß , das ja durchaus von Chosrau betrieben wurde, in die Zeit nach Kawad’s Tode , aber zu dem oben erwähnten Berichte des getauften Persers stimmt die Erzählung in Firdusi’s Schahname. Immerhin ist es aber wahrscheinlich, daß Chosrau, nachdem er im Sept. 531 den Thron bestiegen, noch weitere Befehle gegeben hat, um den Mazdakismus völlig auszurotten.
Was man auch über die Art denken mag, wie die Unterdrückung der Secte bewerkstelligt ist, daß diese selbst nothwendig war, ist unverkennbar. Unverkennbar ist auch , daß das Ansehen , dessen sich dieser größte Fürst seines Hauses bei seinem Volke stets erfreut hat , vorzüglich auf der Vertilgung des Mazdakismus und auf den Anordnungen beruht , welche er zur Heilung der durch denselben verursachten sittlichen und ökonomischen Schäden traf. Chosrau konnte sich nun in seiner langen Regierung auf den Adel stüßen, ohne von ihm abhängig zu werden , und hatte sich die Priester für immer verpflichtet , obwol es um seine eigene Rechtgläubigkeit ziemlich bedenklich stand . Von dem eigentlichen Mazdakismus hat man nachher nie wieder Etwas gehört ; allerdings werden gelegentlich später geheime Secten, die wirklich oder angeblich ähnliche Grundſäße hatten, von den Muhammedanern als Mazdakiten bezeichnet.
Der Islam in seiner starren Einfachheit verträgt sich durchaus nicht mit dem Socialismus. Wol trat Muhammed den aristokratischen Arabern mit dem Grundsah der unbedingten Gleichheit aller Gläubigen entgegen , wol ist dieser Grundsah, wenn auch erst nach schweren Kämpfen, zur allgemeinen Geltung gelangt, wol hat der zweite Chalif, der gewaltige Omar Manches gethan, um auf eine gleichmäßige Vertheilung des Vermögens unter den gläubigen Streitern hinzuwirken : aber von Aufhebung oder Verflüchtigung des Privatbesitzes und des Erbrechtes kann in einer Religion nicht die Rede sein , deren heiliges Buch eine directe Vermögenssteuer, „ das Almosen“, zur Grundlage des Staates macht und ein gehende Bestimmungen über Erbtheilung und andere vermögensrechtliche Verhältnisse gibt. Die Bewahrung des Familienzusammenhanges wird also im Koran schlechterdings vorausgesetzt , und gar der Abschaffung der Ehe stehen die positiven Bestimmungen des Korânischen Eherechts entgegen. Damit ist aber dem Socialismus der Boden entzogen. Der geistigen Organisation der Perser hat die grobkörnige arabische Religion nie genügt. Schon die Lehre der Schiiten , welche allmälig zur persischen
Nationalreligion geworden ist, muß im Ganzen und Großen als eine starke Entstellung des Islâm’s angesehen werden. Noch mehr gilt das von den geheimen Secten, welche auf persischem Boden , namentlich in gewissen Gebirgsgegenden, entstanden sind , und von denen wenigstens so viel fest steht , daß sie mit islamischen Elementen ganz Fremdartiges verbinden. Sie haben sich zum Theil auch mit Bewußtsein vom Korân losgesagt, wenn sich gleich ihre Anhänger unter Muhammedanern immer für Muhammedaner auszugeben pflegten. Unter diesen Secten soll hie und da Güter- und Weibergemeinschaft bestanden haben ; doch wird es schwer sein, dies auch nur für einen Fall ganz sicher nachzuweisen. Man ist ja im Orient – und nicht blos im Orient ! – geneigt , seinem religiösen Gegner auch das Schändlichste und Albernste nachzusagen ; das trifft solche geheime Genossenschaften natürlich ganz besonders , während sie es dem ruhigen Beobachter durch ihr scheues Wesen wieder äußerst erschweren , ihre Lehren und Bräuche kennen zu lernen. Auf alle Fälle haben diese Secten , von denen noch allerlei , so zu sagen , versteinerte Reste vorhanden sind , für socialistische Ideen kaum je wirksame Propaganda gemacht. Eine gewaltige Regsamkeit hat dagegen noch in unserer Zeit eine solche , aus dem schiitischen Islâm hervorgegangene, Secte entfaltet, die auch socialistische Tendenzen hat. Seit den Tagen Mazdak’s ist Persien nie durch eine einheimische religiöse Partei so gewaltsam erschüttert wie durch die Bâbî’s . Ihr Stifter , Ali – Muhammed (geboren um 1812 in Schiraz) , war ein wohlmeinender , unklarer Schwärmer , der sich für inspirirt hielt, der, während er selbst noch auf dem Boden des Islâm’s zu stehen glaubte, seit dem Anfang der vierziger Jahre dunkle Offenbarungen von sich gab , die dem Volke gerade durch ihre Unverständlichkeit eben so sehr imponirten, wie seine sittlichen Forderungen . Er galt für einen Heiligen und Wunderthäter ; er selbst erklärte sich für das Thor – Bâb -, das allein den Zugang zu Gott verschaffe.
Die rein religiöse Aufregung, welche er hervorrief, war den bestehenden Zuständen direct noch nicht allzugefährlich ; aber gar bald übertrugen eifrige und thatkräftigere Anhänger diese Aufregung auch auf das politische Gebiet. Die unsäglich elenden sittlichen und politischen Verhältnisse Persiens gaben den Weltverbesserungsplänen nur zu viel Anhaltspunkte. So kann es nicht bleiben, ” war der allgemeine Gedanke. Nun war da ein Prophet, welcher Wahrheit und Gerechtigkeit predigte ; man sah in ihm den von den Schiiten erwarteten Messias und mithin eine Art Gottheit , welche allem Leid ein Ende machen sollte. Da lag es dem gemeinen Manne nahe , sich für diesen und mithin gegen die thatsächliche Obrigkeit zu erklären , für welche Niemand die geringste Achtung oder Anhänglichkeit hatte. Die unklare allgemeine Tendenz nach einer gründliche Pläne von Güter- und Weibergemeinschaft, welche sich hie und da bei den Bâbî’s finden, scheinen keinen besonderen Anklang gefunden zu haben. Bâb selbst wurde seit 1844 von der Regierung bald gefangen gehalten , bald wenigstens sorgfältig überwacht ; ihn über die Seite zu schaffen , wagte man nicht , aus Furcht vor dem Volke , das ihn verehrte. Indessen wirkten seine Schüler auf’s eifrigste in seinem Namen , gewiß nicht, ohne diesen oft zu mißbrauchen . Bald gährte es aller Orten. Ein Thronwechsel gibt in Persien immer Veranlassung zu Unruhen. So benutzten auch die Bâbî’s die halb anarchische Zeit nach dem Tode des Muhammed Schah (5. Sept. 1848) , ehe der jezige König Nâsir eddîn Schâh fest auf dem Throne saß , zu einer offenen Erhebung. Es gab nun in verschiedenen Theilen des Reiches eine Reihe blutiger Kämpfe. Zum Glück für den Staat hatten die Bâbî’s keinen Feldherrn und blieben alle ihre Aufstände vereinzelt ; es ward aber doch schwer genug, sie endlich zu überwinden ; denn der religiöse Fanatismus hatte bei ihnen die natürliche Feigheit der Perser in wilden Heldenmuth verwandelt, welcher den elenden königlichen Truppen manch’ schimpfliche Niederlage zufügte. Bâb hatte man inzwischen durch ein geistliches Gericht verurtheilen und durch christliche Soldaten erschießen Lassen ( 19. Juli 1849) ; Muhammedanern wagte man die Hinrichtung des Propheten nicht anzuvertrauen!
Sein Tod sollte nicht ungerochen bleiben ; Bâbi’s der Hauptstadt selbst verschworen sich gegen das Leben des Schah’s , und kaum entging er am 16. Auguſt 1852 dem Mordversuch. Diesem folgte natürlich eine strenge Untersuchung und eine raffinirt grausame Hinrichtung der wirklich oder angeblich Schuldigen. Die Unterdrückung der wilden Fanatiker war allerdings nothwendig ; aber die Wortbrüche und die Grausamkeiten, die dabei vorgekommen sind , erregen den Abscheu des Europäers . Ganz ausgerottet ist der Bâbismus aber noch nicht ; er scheint sich sogar im Stillen wieder auszubreiten ; die unterirdische Gluth kann eines Tages noch in helle Lohe aufschlagen. Klarer und edler ist die Secte durch die Unterdrückung gewiß nicht geworden. Scheint doch auch der neueste Mordversuch gegen den Schah im Anfang dieses Jahres von Babi’s ausgegangen zu sein. Der persische Staat ist so schlecht gefügt, die Lage der unteren Classen, namentlich der Landleute, ist so traurig, daß eine neue Erhebung der Secte alles Bestehende umwerfen könnte. Sicher würde sie einen selbst nur partiellen Sieg auch zu gründlichen socialen Veränderungen benußen ; das unglückliche Land würde dadurch noch weit unglücklicher werden.
Als Heilmittel gegen den Socialismus wird nicht ohne Berechtigung bei uns jetzt oft die Religion gepriesen . Man steht aber, die Sache hat auch ihre Kehrseite. Verbänden die Führer unserer Socialisten mit europäischer Thatkraft noch das unheimliche Feuer religiöser Schwärmerei, wie jene Asiaten , oder nur eine feste religiöse Ueberzeugung, dann hätte unsere ganze Bildung sie allerdings gar sehr zu fürchten . Dauerndes zu schaffen vermag aber weder der religiöse, noch der irreligiöse , weder der wissenschaftliche , noch der rohe Socialismus
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