Schemsie Gemeinde in Mardin — Carsten Niebuhr

Zur Gemeinde der Jakobiten gehören jetzt auch die Schemsie. Diese scheinen die Religion beibehalten zu haben, welche in diesem Lande nicht nur vor der mohammedanischen, sondern auch vor der christlichen im Schwange gewesen ist. Ein alter Mann wollte mich versichern, daß in seiner Jugend noch verschiedene Dörfer in der umherliegenden bergigten Gegend sich zu dieser Religion bekannt hätten. Jetzt, meinte man, wären auf dem Lande keine Schemsie mehr, zu Mardin aber wohnen etwa noch 100 Familien in zwei besondern Quartieren. Dise machten bis vor wenigen Jahren noch eine besondere Gemeinde aus. Als aber Sultan Mustafa einmal auf den Einfall kam, daß alle Christen und Juden in seinem Reiche gezwungen werden sollten, entweder Mohammedaner zu werden oder das Land zu räumen, und als die Großen des Reichs, selbst der Mufti, darzu ihre Einwilligung nicht geben wollten, weil selbst Mohammed die Christen und Juden gegen einen jährlichen Kopfschatz geschützt hätte, so ward, um den Regenten in etwas zu befriedigen, der Befehl erneuert, daß künftig niemand als ein Untertan geduldet werden sollte, der keine göttliche Bücher hätte, das heißt, der weder Mohammedaner, Christ noch Jude wäre. Die Jesidier, die Drusen, die Nassairier und andre fremde Religionsverwandten, welche unter ihren eigenen Schechs und Emirs in hergigten Gegenden wohnten, kehrten sich an diesen Befehl gar nicht. Die Schemsie aber waren gar zu schwach, zudem wohnten sie alle in Städten, wo sie leicht von der mohammedanischen Obrigkeit beobachtet werden konnten. Sie unterwarfen sich also den jakobitischen Patriarchen zu Diarbekr, und seitdem nennen sie sich Christen und kleiden sich auch so.

Aber darin und daß sie ihre Kinder taufen lassen, besteht auch fast ihr ganzes Christentum. Selten sieht man mehrere von ihnen in der Kirche, als etwa ein paar, die sie sorgfältig abschicken, damit man sie nicht beschuldigen können, sie kämen gar nicht in die Kirche. Sie lassen ihre Toten auch zwar von einem jakobitischen Geistlichen zur Erde begleiten; allein dieser wird nicht in das Haus des Verstorbenen gerufen, als  bis der Sarg schon zugenagelt ist, da er dann der Leiche nach dem Totenacker der Schemsie folgt. Kurz, sie leben noch so von andern Religionsverwandten abgesondert, daß sie sich nicht einmal mit den Jakobiten verheiraten. Von den Grundsätzen ihrer Religion habe ich nichts mit Gewißheit erfahren können. Die Christen zu Mardin sagen, daß sie die vornehmste Türe ihres Hauses allezeit gegen Aufgang der Sonne bauen, daß sie ihr Angesicht gegen die Sonne wenden, wenn sie beten, daß sie ihrer Toten die Haare ausrupfen und einem Verstorbenen ein paar Dukaten in den Mund legen. Bei Hochzeiten werden aber Braut und Bräutigam von einem jakobitischen Geistlichen getraut.
(Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern 1761-1767
Carsten Niebuhr, S.714-715)

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